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Umgang mit Behinderung und Begriffen

Die unten stehende Presseerklärung habe ich aus dem ELFI Mailverteiler. Beeindruckend vorbildlich finde ich, was ich weiter unten in fett und orange markiert habe: dass Kinder eigentlich nur Inklusion kennen und daher ausschließlich Inklusion leben, bis Erwachsenen anfangen, Mauer hochzuziehen und Exklusion zu betreiben, meistens unbewusst und ohne böse Absichten. Kinder brauchen den Begriff Inklusion nicht, sie leben es einfach.

Für Kinder ist alles normal, was sie erleben. Durch uns Eltern werden die Kinder fähig, in Sachen gut/böse, richtig/falsch, normal/abnormal,… zu bewerten. Und das geben wir ihnen auf den Weg mit unserem Verhalten. Aber nicht WIE wir uns Verhalten ist das wesentliche, sondern vor allem die Emotionen, die sie bei uns spüren, wenn sie uns agieren beobachten. Beispiel: die Wörter BESONDERES und BEHINDERT. Das erste ruft in uns eher was positives auf,  das zweite eher was negatives. Angewendet auf einen Menschen, deuten beide Wörter darauf, dass jemand außerhalb einer definierten Norm ist. In diesem Sinne, sind unsere Kinder nicht normal. Was aber nicht bedeutet, dass es nicht normal ist, dass es unsere Kinder gibt. Ganz im Gegenteil: Es ist völlig normal, dass es unsere Kinder gibt. Sie gehören zur unserer Gesellschaft, zu einer vielfältigen Gesellschaft… oder wollen wir etwa den Menschen standardisieren!?  Evolution basiert auf Vielfalt, das Leben auf der Erde wäre ohne Vielfalt nicht weit gekommen. Unsere Kinder vertreten sicher nicht die Werte unserer aktuellen Leistungsgesellschaft, gerade deswegen ist deren Dasein vielleicht so wesentlich wie noch nie. Und gerade jetzt, sind wir dabei, sie auszuröten… Aber das sind andere Themen 🙂

Zurück zum eigentlichen Thema. Normen sind wichtig, Begriffe sind wichtig. Wir brauchen diese Werkzeuge, um unsere komplexe Welt Struktur zu geben, diese zu verstehen und zu agieren. Darum muss man ja nicht mit Wörtern aufpassen, sondern mit unsere Einstellung zu einem Wort, zu einem Thema. Was strahlen wir aus, wenn wir etwas sagen, wenn wir uns so oder so verhalten?  Insbesondere mit Kindern muss man sich hier sehr bewusst darüber sein, denn wir prägen damit deren Basis zur Offenheit und Toleranz unserer Kinder für den Rest seines Lebens.

Darf man jetzt das Wort „behindert“ nicht nutzen? Naja doch, wobei „Mensch mit Behinderung“ viel besser wäre. Da steht der Mensch in Vordergrund, und nicht das Merkmal. Downie oder Behindi ist genau so schlimm, egal wie nett man das meint.  Ähnlich wie beim Wört „Allergiker“, viel besser ist „jemand hat eine Allergie“. Etiketten sind nicht gut für uns Menschen. Wir haben das Talent, diese zu misbrauchen.

Warum habe ich diesen Beitrag geschrieben? Die Woche fragte mich ein 1-Klässler etwas verunsichert und seeeehr vorsichtigt: „Kann es sein, dass der Mikel eine … Behinderung… hat?“ Man hat gemerkt, dass er mit dem Wort Behinderung nichts anfangen kann, außer dass es was schlimmes, obskures ist… uuuhhhh! Aber woher denn? Kinder wissen nichts über Normen, sie wissen nur, was sie aus ihrem Umfeld mitbekommen, vor allem aus dem Elternhaus. Darum nutzte ich die Gelegenheit des Elternabend am Do., um die Eltern darauf aufmerksam zu machen, und um mir zu wünschen, dass wenn sie von ihren Kindern in Sachen Behinderung gefragt werden, sie ganz natürlich damit umgehen und den Kindern den Eindruck vermitteln, dass jeder Mensch anderes ist, und dass es völlig normal ist, dass es so ist.

PRESSEERKLÄRUNG
zum Film: Ich.Du.Inklusion – ab 4.5. in den Kinos (Schauburg Karlsruhe) 

Unser Projektteam „Inklusionsbeobachtung und -beratung in Baden-Württemberg“ hat den Film gesehen und schreibt dazu folgendes:

„Eine lebendige Dokumentation aus einer lebendigen Klasse in NRW. Viele klagende Erwachsene. Eine tolle Klasse, die viel von Vielfalt und Inklusion verstanden hat. Kinder, die zusammenhalten und zu Freunden geworden sind. Ein Film, der wenig vom inklusiven Unterricht zeigt und schon ein besonderes Setting ausgesucht hat.

Es wurde in einer Klasse gedreht, in der von 21 Kindern 7 Förderbedarf haben, festgestellt oder auch nicht, deshalb auch nur bedingt bei den sonderpädagogischen Ressourcen berücksichtigt wurden. Auch der Einsatz der immerhin drei Integrationshilfen bleibt schwammig. Für die engagierten Lehrer ist das Setting unbefriedigend, für Direktor und Eltern auch. Die Kinder aber leben Inklusion, weil sie jeden Tag das erleben, was sie im Film auch singen: „Ich bin anders. Du auch.“ Sie werden Freunde, unterstützen sich, sind einander Vorbilder, auch mal genervt voneinander und ehrlich traurig, als ein Schüler, den die Lehrer besonders schwierig finden, die Klasse verlässt.

Inklusion? In vielen Ländern der Welt wäre das eine „ganz normale Klasse“, eben mit Kindern, die viel lernen, und mit Kindern, die sich schwer tun oder vom Verhalten her auffällig sind. Freilich keine Klasse, die ein Lehrer alleine bewältigen kann. Aber die wenigen sonderpädagogischen Stunden erklären sich NICHT dadurch, wie der Direktor einmal sagt, dass immer mehr Schulen Inklusion machen müssen, sondern weil Nordrhein-Westfalen, wie auch die meisten anderen Bundesländer, unbedingt auch noch das parallele Sondersystem aufrecht erhalten will. Dass der Direktor neue Kinder mit Behinderung dadurch „abwehrt“, indem er deren Eltern zwingt, sich auch die Sonderschule/Förderschule anzuschauen und dass über einigen Kindern der Klasse die ganze Zeit das „Damoklesschwert“ hängt, doch wieder auf die Sonderschule/Förderschule zu müssen, sorgt für einen bitteren Beigeschmack und zeigt den Systemfehler.

Der Film zeigt auch letztlich die Untauglichkeit von Gutachten und behördlichen Feststellungsverfahren: Kinder, die Hilfe bräuchten, erhalten sie nicht, weil sie noch nicht offiziell „festgestellt“ sind. Ein Kind wird plötzlich als „geistig behindert“ getestet, was selbstdie Klassenlehrerin nicht nachvollziehen kann. Und ein Junge, dessen Förderbedarf im „sozial-emotionalen Bereich“ liegen soll, ist zugewandt und gut integriert, aber schwach im Lernen.

Für Pauschalaussagen oder gar Pauschalkritik über Inklusion in der Schule taugt der Film wenig. Bleiben als Highlights: Ein treckerfahrender Erstklässler und einige coole Kinder-Sprüche.“

Kirsten Ehrhardt, Projektleiterin Inklusionsberatung und -begleitung in BW
Für Rückfragen:
beratung@lag-bw.de
06227/ 399718
www.lag-bw.de

 

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